Langzeiterhebung: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“
Hier sind fünf zentrale Erkenntnisse:
- Vielfalt der Feindbilder: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit manifestiert sich nicht nur in rassistischen oder fremdenfeindlichen Haltungen, sondern umfasst auch Einstellungen gegenüber Frauen, Menschen mit Behinderungen, LGBTQ+-Personen und anderen gesellschaftlichen Minderheiten.
- Verankerung in der Gesellschaft: Diese Formen der Feindlichkeit sind tief in sozialen Normen und Institutionen verankert, was sie schwer veränderbar macht. Es gibt einen Zusammenhang zwischen struktureller Diskriminierung und der Entstehung von Feindbildern.
- Soziale Identität und Feindbilder: Menschen neigen dazu, ihre Identität durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu definieren und diese Zugehörigkeit als überlegen gegenüber anderen Gruppen zu betrachten. Dies führt zu einer verstärkten Abgrenzung und Feindseligkeit.
- Rationalisierung von Ungleichheit: Vorurteile und Diskriminierung werden häufig rationalisiert, indem sozioökonomische Ungleichheiten als „natürlich“ oder gerechtfertigt angesehen werden. Dies trägt zur Verfestigung von Gruppenhierarchien bei.
- Politische und mediale Einflussnahme: Politik und Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung und Verstärkung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, da sie häufig Stereotype und Feindbilder bedienen oder ignorieren.
Ableitungen für die Arbeit am gesellschaftlichen Diskurs:
Aufklärung und Sensibilisierung: Es braucht gezielte Bildungsarbeit, um das Bewusstsein für die Vielschichtigkeit von Menschenfeindlichkeit zu schärfen und stereotype Denkmuster zu hinterfragen. Dabei sollte nicht nur auf explizite Diskriminierung hingewiesen werden, sondern auch auf die subtileren Formen, die oft als „normal“ betrachtet werden.
Stärkung von Empathie und Inklusion: Der gesellschaftliche Diskurs sollte verstärkt auf Inklusion und Empathie ausgerichtet sein, um den Zusammenhalt zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zu fördern. Dies könnte durch interkulturellen Austausch, gemeinsame Projekte oder integrative politische Initiativen geschehen.
Förderung von Diversität: Schließlich sollte der Diskurs durch die Förderung von Diversität in allen gesellschaftlichen Bereichen – von der Arbeitswelt bis hin zur Kunst und Kultur – bereichert werden, um die gesellschaftliche Akzeptanz von unterschiedlichen Lebensweisen und Identitäten zu stärken. Die sozialen Anpassungen an eine sich schneller drehende Welt sind erfolgreicher, je höher die soziale „Kombinatorik“ ist – Es ist soziale „Artenvielfalt“, die die soziale Anpassung absichert. Diversität erhöht die Überlebenswahrscheindlichkeit unserer Spezies durch Optionenvielfalt.
Hinterfragung von gesellschaftlichen Normen und Machtstrukturen: Eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Machtstrukturen und sozialen Normen ist notwendig. Der Diskurs sollte sich mit der Frage beschäftigen, wie diese Strukturen feindselige Einstellungen fördern und welche alternativen, gerechteren Modelle des Zusammenlebens möglich sind.
Verantwortung der Medien und Politik: Es muss ein stärkerer Fokus auf die Verantwortung von Medien und Politik gelegt werden, um Feindbilder zu hinterfragen und zu bekämpfen. Dies kann durch bewusstere, differenziertere Berichterstattung und Politikgestaltung geschehen.
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Studie
Die Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit von Prof. Heitkämper untersucht, wie Menschen negative Einstellungen gegenüber bestimmten sozialen Gruppen entwickeln und wie diese Einstellungen in der Gesellschaft verbreitet sind.
Die Typen der Diskriminierung: In der ursprünglichen Konzeption wurden zunächst neun, ab 2008 zehn Elemente für das Syndrom GMF berücksichtigt.
Dies sind im Einzelnen: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Etabliertenvorrechte, Sexismus, Islamophobie, Abwertung von obdachlosen Individuen, Homophobie, Abwertung von Personen mit Behinderung, sowie seit 2008 die Abwertung von langzeitarbeitslosen Personen.
- In dieser Konzeption umfasst Rassismus (Hraba et al.) jene Einstellungen und Verhaltensweisen, welche die Abwertung von Gruppenangehörigen fremder Herkunft auf der Basis konstruierter natürlicher Höherwertigkeit der Eigengruppe vornehmen. Es ist der Versuch u. a. auch an biologischen Unterschieden festgemachte Dominanz gegenüber bestimmten Gruppen auszuüben.
- Fremdenfeindlichkeit wird auf kulturelle und materielle Aspekte bezogen verstanden. Die Abwehr von Angehörigen von Gruppen fremder ethnischer Herkunft ist zum einen auf (vermutete) Konkurrenz um (knappe) Ressourcen von Positionen, Plätzen etc. ausgerichtet. Zum anderen auf die Etikettierung von kultureller Rückständigkeit (Frindte/Meertens – 2001)
- Mit Antisemitismus wird in der Konzeption von GMF die Abwertung von Menschen jüdischen Glaubens und Herkunft sowie ihrer kulturellen Symbole bezeichnet, wobei eine auf Stereotypen basierende Diskriminierungsbereitschaft und der Vorwurf des Ausnutzens des Holocaust (sekundärer Antisemitismus) die zentralen Elemente bilden. Dabei gelte es bedrohende Verschwörungen und Ausbeutungen abzuwehren
- Etabliertenvorrechte umfassen die beanspruchte zeitliche sowie räumliche Vorrang- und Vormachtstellung von Alteingesessenen – gleich welcher Herkunft – gegenüber Neuen, Zugezogenen und Menschen, die sich noch nicht angepasst haben. Es werden Positionen vertreten, welche die Aufkündigung gleicher Rechte einschließen (Sidanius/Pratto).
- Unter Sexismus wird in der Konzeption von GMF die Betonung von Gleichwertigkeitsunterschieden zwischen den Geschlechtern im Sinne einer Demonstration der Überlegenheit des Mannes und fixierter Rollenzuweisungen an Frauen verstanden.